Zwischen Biglen und Huttwil.
Als Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei Bigla Office kennt sich Marcel Marolf mit Produktionsprozessen und dem Veränderungsmanagement bestens aus. Seit der Bekanntgabe der Übernahme nimmt das Projekt sehr viel Zeit in Anspruch. Wie Marcel und das gesamte Projektteam konkret vorgehen, wie wichtig das globale Verständnis und Vertrauen aller involvierten Parteien sind und welche grossen Herausforderungen anstehen, erfahren Sie im nachfolgenden Interview.
Nach Bekanntgabe der Übernahme im letzten Jahr wurde zeitnahe ein Projekt-Team, bestehend aus 15 Fachkräften, einberufen. Welches Hauptziel wird global verfolgt?
Es muss uns in erster Linie gelingen, ein gemeinsames Verständnis für die Produktionsverlagerung zu schaffen, welches wir verständlich und glaubwürdig nach aussen tragen können. Denn die nachhaltige und erfolgreiche Umsetzung des Projektes steht und fällt mit dem Vertrauen unserer Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Partner – also in das was wir tun und die Art und Weise wie wir es tun. Unter dieser gesamtheitlichen Betrachtungsweise sehe ich noch Verbesserungspotential, welches wir nutzen müssen.
Nach nun doch einigen Wochen und Monaten hast du Einblicke in beide Unternehmenskulturen und Abläufe erhalten. Welche grossen kulturellen Unterschiede konntest du in den letzten Monaten feststellen und wie gehen die Mitarbeitenden von Bigla Office mit der neuen Situation um?
Den grössten Unterschied nehme ich persönlich in der Führungskultur der beiden Unternehmen wahr. Daraus abgeleitet «funktionieren» beide Unternehmen dann eben auch ganz unterschiedlich und haben ihre eigene gefestigte «Unternehmens-DNA». Diese Ausgangslage ist für die Mitarbeitenden beider Unternehmen eine grosse Herausforderung, bietet zugleich aber auch Chancen. Diese Konstellation und Rahmenbedingung dürfen wir weder ignorieren noch als unwesentliches Element betrachten. Es muss uns durch bewusstes Verhalten und Handeln gelingen, eine Basis zu schaffen, auf welcher beide Unternehmenskulturen eigenständig gelebt und entwickelt werden können, ohne dass dabei grössere Spannungen in der Unternehmenskultur und übergreifenden Zusammenarbeit entstehen.
Seid ihr aktuell im Zeitplan?
In Bezug auf den physischen Transfer, also Mitarbeitende und Maschinen der einzelnen Produktionsbereiche, sind wir im Zeitplan. Wenn wir weitere Elemente wie Produktionsdaten, -dokumente und -prozesse in die Beurteilung miteinbeziehen, sind wir noch nicht auf der Leistungsstufe, an der wir uns orientieren wollen und müssen. In diesen Themenbereichen werden wir in den kommenden Wochen unsere Schwerpunkte setzen.
Wie lässt sich das Vorgehen bzw. der Masterplan bei der Produktionsverlagerung in wenigen Worten zusammenfassen?
Zu Beginn des Projekts «Produktionsverlagerung» (anfangs September 2019) haben wir in einem ersten Schritt die Hauptziele, Rahmenbedingungen und Verantwortungsbereiche festgelegt. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben haben wir versucht, das Projekt in einem konkreten und strukturierten Gesamtbild abzubilden – dies mit dem Wissen, dass es aufgrund der Projektkomplexität nicht möglich sein wird, alle Aktivitäten zu erkennen und diese in der Gesamtstruktur zu berücksichtigen. Für unser Projekt war und ist es entscheidend, dass wir uns an klar definierten Meilensteinen orientieren können. Die Themen in den einzelnen Projektphasen konkretisieren und entwickeln wir mit dem Projekt, in dem wir regelmässig Koordinationsmeetings durchführen, die nächsten Schritte kontinuierlich planen, umsetzen, prüfen und dort wo nötig unmittelbar Korrekturmassnahmen einleiten.
Im Fokus: Marcel Marolf in Aktion an einem der regelmässigen
Koordinationsmeetings in Huttwil.
Obwohl es sich in Anführungs- und Schlusszeichen lediglich um die Verschiebung der Produktion handelt, sind weitaus mehrere Bereiche der beiden Unternehmen beteiligt. Welche Abteilungen tragen dabei eine bedeutende Rolle und weshalb?
Es sind unsere Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Partner. Es gibt viele und verschiedene Gründe, weshalb diese Beteiligten in ihren individuellen Rollen für uns von zentraler Bedeutung sind. Eine Gemeinsamkeit ist sicherlich die, dass wir in der aktuellen Phase des Projektes – in der noch nicht alles «rund läuft» – auf das Verständnis, die Unterstützung und Loyalität dieser Beteiligten setzen.
Insgesamt wurden 30 Arbeitsstellen in Huttwil angeboten, wovon 20 zeitnahe besetzt werden konnten. Wie gelang es, die Mitarbeitenden von Bigla Office trotz des längeren Arbeitswegs zum Stellenwechsel zu bewegen?
Diese Frage kann ich dir leider nicht konkret beantworten, da ich die individuellen Beweggründe nicht im Detail kenne. Unser Ziel war es, den Mitarbeitenden in kürzester Zeit qualitative und quantitative Informationen zu vermitteln, welche sie als wertvolle Entscheidungsgrundlage nutzen konnten. Ob wir dieses Ziel erreicht haben, können wir frühestens in 12 Monaten beurteilen, indem wir beobachten wie dauerhaft die Stellen bei NOVEX durch Mitarbeitenden der Bigla Office besetzt werden konnten.
Wie sieht das konkrete Vorgehen für die erfolgreiche Eingliederung sowie Einschulung der jeweiligen Mitarbeitenden aus?
Im Grundsatz verläuft die Eingliederung und Einarbeitung nach dem Standardprozess für «neu eintretende Mitarbeitende» bei NOVEX. In unserer Konstellation war es möglich, diesen Prozess bereits im Dezember 2019 zu starten, indem wir ab diesem Zeitpunkt die Mitarbeitenden in unternehmensübergreifenden Schulungseinsätzen an ihr neues Arbeitsumfeld respektive ihre neuen Arbeitsaufgaben heranführen konnten. Auch wenn die Ausgangslage im ersten Moment als «Standardeintritt» wahrgenommen wird, müssen wir die Realität berücksichtigen und uns bewusst sein, dass die Mitarbeitenden diesen Stellenwechsel nicht aus eigenem Antrieb angestrebt haben. Aus diesem Grund sind die Führungsverantwortlichen besonders gefordert und es braucht die Bereitschaft und Fähigkeit sich in die «Gefühlswelt» dieser Mitarbeitenden hinein zu versetzen.
Die Produktionsverlagerung ist ein komplexer Prozess des Veränderungsmanagements auch „Change-Management“ im Englischen genannt. Weshalb wurde hierbei bewusst auf externe Beratung verzichtet?
Die Aussage, dass wir auf externe Berater verzichtet haben, ist nur teilweise zutreffend. Im Zusammenhang mit der Kommunikation vom 18. September 2019 (Bekanntgabe des Entscheides zur Produktionsverlagerung) haben wir uns vorgängig durch externe Berater unterstützen lassen, da wir dieses Ereignis als Basis für eine erfolgreiche Umsetzung des Gesamtprojekts beurteilt haben. Weiter konnten die Mitarbeitenden, welche sich bei NOVEX beworben haben, wir jedoch kein Jobangebot machen konnten, an einem Newplacement-Workshop teilnehmen. Dieser Workshop wurde durch Externe gestaltet und durchgeführt, mit dem Ziel die Teilnehmer in ihrem persönlichen «Veränderungsprozess» individuell zu unterstützen.
Der Beizug externer Unterstützung, mit der Zielsetzung, im Vorfeld eine Analyse durchzuführen, die «Transformation» zu planen und dann zu begleiten, haben wir aufgrund des komprimierten Zeitplanes als nicht zielführend eingestuft. Ich schliesse nicht aus, dass externe Dienstleistungen in diesem Themenbereich zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll sein können.
Sowohl NOVEX als auch Bigla Office können auf ein langjährig bestehendes Partnernetzwerk zurückgreifen. Inwiefern werden externe Partner ins Projekt miteinbezogen und warum?
Ich persönlich sehe eine Partnerschaft (im wirtschaftlichen Sinne) dann als gegeben, wenn die involvierten Parteien durch gemeinsame Aktivitäten einen Mehrwert generieren und dadurch die individuelle Marktstellung des einzelnen gestärkt wird. Demnach müssen wir unsere Partner überall dort einbeziehen, wo wir mit unserem Verhalten oder Handeln den gemeinsamen Mehrwert gefährden und/oder die individuelle Marktstellung eines Involvierten schwächen.
Welches sind die grössten Herausforderungen, die in den nächsten Wochen auf das gesamte Projekt-Team zukommen?
Ich unterscheide zwischen den Bereichen Lackiererei, Endmontage und Bereitstellung, welche bereits verlagert wurden und dem Produktionsteil Blechbearbeitung.
Bei den verlagerten Bereichen sind es die Schwerpunkte, welche ich bereits in der dritten Frage angesprochen habe. Hier geht es darum die Produktionsdaten, -dokumente und -prozesse zu optimieren und auf die Leistungsstufe zu führen, welche uns legitimiert, als Schweizer Hersteller am Markt aufzutreten und nachhaltig erfolgreich zu agieren.
Bei der Verlagerung der Blechbearbeitung liegt der Schwerpunkt darin, dass wir mit unseren Mitarbeitenden die Hauptmaschinen nach Huttwil transferieren, in Betrieb nehmen und zu fix definierten Zeitpunkten die Produktionstätigkeit wieder aufnehmen. In einem weiteren Schritt werden dann auch hier die Produktionsdaten, -dokumente und -prozesse analysiert und optimiert.